Gedanken zum Neuen Jahr


Jesus, von Maria geboren, mit Namen genannt, zum Frieden berufen.
Das heutige Hochfest verbindet mehrere Anlässe miteinander.

Einerseits wird des Dogmas von Ephesus gedacht, bei dem Maria als Gottesgebärerin und damit nicht nur Mutter der menschlichen „Seite“ Jesu erkannt wurde. Darüber hinaus feiert man traditionell die Namensgebung Jesu an diesem Tag, da der Name am Anfang des Lebens steht, wie Neujahr am Beginn des Jahres. Drittens ist Weltfriedenstag, um einzumahnen, dass Ziel der Schöpfung nur sein kann, in Eintracht zu leben, während wir auf das kommende Heil warten. Gemeinsam ist den drei Festen die Erwartung von Menschen auf ein kommendes Heil: von Maria geboren, mit Namen genannt, zum Frieden berufen.

Jesus, von Maria geboren, mit Namen genannt, zum Frieden berufen.

Heute beginnt das kalendarische Neujahr. Bereits seit über einem Monat wurde mit dem ersten Adventsonntag das Kirchenjahr eingeleitet, die Erwartung auf die Wiederkunft Christi und die Erinnerung an seine Geburt begangen.  Das Kirchenjahr ist der normalen Zeit also einen Tick voraus.  Der Glaube ist schon einen Schritt weiter, als die Welt spüren lässt. Das nennt man im Fachjargon der Theologie eschatologische Spannung von „schon und noch nicht“. Die neue Zeit, das Reich Gottes  ist bereits angebrochen, doch es ist noch nicht ganz da, noch nicht verwirklicht. Der Anbruch dieses Reiches, so glauben wir, geschieht  in der Menschwerdung Gottes. Diese Menschwerdung beginnt aber nicht am Heiligen Abend, sondern bereits zuvor. Der Engel erscheint Maria und fragt sie, ob sie bereit sei Gottesmutter zu werden. Sie ist keine Leihmutter und auch nicht ein einfaches Werkzeug, dem sich Gott bedient. Er bittet sie in aller Freiheit, seinem Heilsplan zuzustimmen. Mit ihrem „fiat“ (es geschehe) kann dann der Plan gelingen und die Befruchtung der Eizelle ereignet sich, d. h. das gott‐menschliche Leben Christi beginnt. Dieser Moment, dieser Anfang ist es, an den wir heute, an Neujahr gedenken.

Es beginnt also alles mit der Zustimmung einer Frau. Wir neigen häufig dazu, die Frage der Gleichberechtigung der Frauen besonders in der Kirche zu stellen. Traditionalistische Gruppen berufen sich auf die angebliche Nachgeordnetheit der Frau aufgrund des zweiten Schöpfungsberichts. Dort jedoch wird zunächst die fundamentale Gleichheit aller Menschen (Gen 1,26) festgehalten. Es mag richtig erscheinen, das zuerst des Mannes vor der Frau anzunehmen, da es sich in Gen 2 so andeutet. Doch dann sollte man auch konsequent im Neuen Testament lesen.

Zuerst wird eine Frau erwählt, dann wird der Heiland als Mann geboren. Erst mit der Zustimmung Josefs oder sogar noch später mit der Geburt Jesu, hat auch der Mann Anteil am göttlichen Heil. Diese Tendenz wird sich fortsetzen und schließlich kulminieren an Kreuz und Grab. Die Frauen sind es, die bis zuletzt ausharren und sie sind die ersten Zeuginnen der Auferstehung. Auch die nachösterliche Offenbarung Christi hat also am Anfang eine Frau. Wozu, so mag man sich fragen, braucht es einen solch politischen Einstieg ins neue Jahr?

Diese Frage ist liturgisch entschieden. Das kalendarische Neujahr bildet einen Umbruch im Weihnachtsfestkreis. Die tiefe und jubelnde Freude der Heiligen Nacht, ist zunächst den Märtyrern und unschuldigen Kindern gewichen, Flucht und Angst sind zurück in die Heilszeit gekrochen. Wir gedenken in der Weihnachtsoktav all jener, die Hilfe brauchen, die unschuldig verfolgt werden oder für den Glauben an das Heil des himmlischen Kindes gelitten haben. Ein Schock wie dieser, erinnert an die traumatischen Folgen der Geburt für ein Kind: der Wärme plötzlich beraubt und zurückgeworfen in die Fremde des Alltags. Instinktiv sucht ein Säugling in dieser Situation Schutz bei seiner Mutter. Und so auch die Kirche.

An Gottes Segen ist alles gelegen

Der Neujahrstag ist der Tag, an dem wir Schutz suchen für das ganze Jahr. Die alttestamentliche Lesung beinhaltet einen Segen, der uns völlig umgibt. Gott als die Wärme einer Mutter. Das Fest Namen Jesu, das ebenfalls heute gefeiert wird, erinnert uns daran, dass Gott uns beim Namen gerufen hat, wie eine Mutter, die liebevoll den Namen des Neugeborenen ausspricht. Dieses Schutzes und dieser Sicherheit des Glaubens bedürfen wir, um uns dem dritten Fest des Tages zu stellen: dem Weltfriedenstag. Hier wechselt unsere Rolle. Hier sind wir Gläubigen nicht mehr die Schutzbedürftigen, denn hier sind wir gefragt. Durch das Vorbild der Glaubenden vor uns und durch die Wärme Gottes, in die wir jederzeit zurückkehren dürfen gewappnet, ist unsere Aufgabe am Aufbau der Gottesherrschaft mitzuarbeiten. Das ist das Erbe, zu dem wir in der neutestamentlichen Lesung berufen worden sind: Das Halten der Gebote und die Gotteskindschaft der Menschen, weil eine Frau den Erlöser für uns geboren hat.

Wie die Hirten im Evangelium besteht unsere Aufgabe darin, zu verkündigen, was wir gehört und gesehen haben. „Friede auf Erden“ sangen die Engel, das also ist der Verkündigungsauftrag der Weihnacht. Wir, die wir in der eschatologischen Spannung stehen, wissen schon, dass Gott Mensch geworden ist, dass er uns erlöst hat und dass sein Reich angebrochen ist. Jetzt treten wir in die Gegenwart der Welt ein, die es noch nicht gehört hat. Wie Maria haben wir unser Herz voll gemacht mit der Erfahrung der bergenden Liebe Gottes – nun sind wir eingeladen und aufgerufen die himmlische Botschaft des Friedens in die Welt zu tragen, die uns die Engel, die Hirten, aber vor allem die Frauen verkündet haben.

Nur in so einem Glauben ist es möglich, unvoreingenommen und vertrauensvoll alles Kommende zu erwarten und es für möglich zu halten, dass die Zukunft jenes weiße Blatt ist, auf dem Gott die Geschichte unseres Heiles schreibt und vollendet.  

Die Texte sind Kommentare zu den Liturgischen Texten und
Ausschnitte aus einer Sammlung von Diakon Ing. Peter ERNST.
Bilder: Wikimedia Commons, Pixabay