Gedanken zum „Guten Hirten“ Sonntag


Mit dem Sonntag vom Guten Hirten, erinnern wir uns an das älteste und vielleicht schönste Bild, mit dem Jesus benannt, angerufen und dargestellt wird: der gute Hirte, der sein eigenes Leben riskiert, um die Schafe seiner Herde zu schützen und sicher zu leiten.

Dieser Sonntag ist auch der Weltgebetstag für geistliche Berufe. Wir sind nämlich berufen, zu der Schar jener Menschen zu gehören, die Jesu Stimme kennen, auf sie hören und ihm nachfolgen.
Ebenso sind wir berufen, einander gute Hirten zu sein und den Weg des Friedens, der Freude und der Liebe zu zeigen. Heute beten wir für die Gemeinschaft unserer Kirche, um gute Hirten und gläubige Menschen, die miteinander für die eine und große Herde sorgen, die von dem einen guten Hirten angeführt wird.

Der Auferstandene ist der Gute Hirt seiner Gemeinde. Das Bildwort des Johannes‐Evangeliums gibt dem heutigen Sonntag seinen Namen. Der Auferstandene ist unser Guter Hirt, damit wir „das Leben in Fülle haben“ – das Leben des Auferstandenen, das ewige Leben. Jesus bezeichnet sich da selber als der gute Hirt und als solchen hat ihn die christliche Kunst auch gerne dargestellt: Es ist ein schönes, wohltuendes Bild: Der Hirte, der sich um seine Herde sorgt, sie vor Dieben und wilden Tieren schützt, der das verlorene Schaf auf der Schulter heimbringt aus der Gefahr.

Jesus ist der gute Hirt

Im heutigen Abschnitt gebraucht Jesus aber noch ein anderes Bildwort. Er nennt sich selber die Tür zu den Schafen. Und er stellt klar: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hereingeht, ist ein Dieb und Räuber, der nicht hüten, sondern stehlen will. Er dringt in böser Absicht ein. Dieses Gleichnis aus dem damals allen vertrauten ländlichen Leben bekommt freilich eine erschreckende Zuspitzung, wenn Jesus dann verdeutlicht: Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber! Ist das nicht eine schlimme Anmaßung? Kann Jesus einfach alle, die sich nicht an ihn halten, so intolerant abqualifizieren und kann das so ohne Protest hingenommen werden?

So wundert es nicht, dass es am Schluss heißt: „Wegen dieser Rede kam es unter den Juden zu einer Spaltung. Viele von ihnen sagten: Er ist von einem Dämon besessen und ist wahnsinnig. Warum hört ihr ihm zu? Andere sagten: So redet kein Besessener. Kann ein Dämon die Augen von Blinden öffnen?“ (Joh 10, 19-20).

War Jesus intolerant? War er das, was man heute einen Fundamentalisten nennen würde? Oder gar ein religiöser Fanatiker, der sich selbst maßlos überschätzt und andere verachtet hat? So haben ihn seine Gegner gesehen, und deshalb haben sie ihn verfolgt und schließlich umgebracht. Oder ist das Gleichnis vom Hirten und der Tür so etwas wie ein Spiegel, in den zu schauen unangenehm ist, besonders für jene, die Hirten genannt werden und sein sollen (die Bischöfe, die Priester, aber auch alle, die Verantwortung für andere tragen)? Die Frage, die uns Jesus stellt, ist sehr einfach: Geht es euch um die anderen oder um euch selber? Wollt ihr euch selbst verwirklichen oder liegt euch zuerst am Wohl der euch Anvertrauten?

Und damit klar ist, wie ernst die Wahl ist, sagt er: Wer nur sich selbst sucht, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer in den eigenen Kindern nur seine eigenen Wünsche sucht, beraubt sie, hindert sie, sich entfalten zu können. Wer im Partner nur seine Selbstverwirklichung sucht, stiehlt ihm Lebensraum. Wer als Priester nur an seine Beliebtheit denkt, ist kein Hirte, sondern ein Dieb an den Herzen der Menschen. Er betrügt sie um ihr Vertrauen.

Mit Jesus haben Menschen andere Erfahrungen gemacht. Er kam nicht, um sich wichtig zu machen, sondern um Leben zu geben. Deshalb war sein Wort so anders als das viele Gerede von uns Menschen. Seine Stimme hat einen unverwechselbaren Klang. „Er ruft die Schafe beim Namen und sie folgen ihm“. Es ist die Stimme Gottes, die manchmal durch das Getöse unseres Alltags bis zu unserem Herzen vordringt. Und dann wissen wir: Diese Stimme sagt uns, wo es zum Leben geht. Und dann ist klar: Nur wenn wir durch diese Türe gehen, sind wir gerettet.

Jesus allein ist diese Tür, die Gott uns geöffnet hat, damit wir nicht irregehen. Ja, Jesus Christus allein ist der wahre „Gute Hirte”. Er allein kann uns alle, Priester und Volk, Hirten und Herde, ans Ziel führen. Und Er allein kann aus uns schwachen Menschen wirklich gute Hirten nach seinem Herzen machen.

Jesus ist der gute Hirt

Meditation

An der Tür hängt ein Schild mit der Aufschrift „JESUS“. Die Tür ist geschlossen. Ist er da? Soll ich anklopfen, die Klinke herunterdrücken? –
Was, wenn er mich abweist, mich fragt, wie ich es wagen könnte, einfach so hereinzuplatzen, zu stören?
Was, wenn er mich vor lauter Wut und Zorn hinauswirft?
Aber hat er nicht gesagt: „Ich bin die Tür“? –
Vorsichtig drücke ich die Klinke herunter, öffne, behutsam, nur einen Spalt … für den Fall … es könnte ja sein, dass er … ich würde es ihm nicht einmal verdenken, wenn ich mich so ansehe …

Da höre ich seine Stimme – warm und liebevoll: Endlich bist du da. So lange habe ich auf dich gewartet. Komm und setze dich zu mir, mein Freund. Wir haben uns so viel zu erzählen!

Segensbitte

Der gute Gott sei unser Hirte, der uns das geben möge, was wir zum Leben brauchen: Wärme, Geborgenheit, Liebe, Freude und Freiheit – und das Vertrauen zu Ihm, zu unseren Mitmenschen und zu uns selbst. Auch in dunklen Zeiten und schmerzhaften Erfahrungen möge Gott uns beistehen und uns immer wieder Mut und neue Hoffnung schenken.

In Situationen der Angst möge er in uns die Kräfte wecken, die uns helfen, all dem, was wir als bedrohlich erleben, standhalten zu können. Gott möge uns so zu einem erfüllten Leben führen!

Gott hat versprochen, uns zu führen und wie ein Hirte bei seiner Herde zu sein. In diesem Vertrauen  lass uns gestärkt und gesegnet wissen von dem allmächtigen Gott, der + Vater, der Sohn und der Hl. Geist. Amen.

Die Texte sind Kommentare zu den Liturgischen Texten und Ausschnitte
aus einer Sammlung von Diakon Ing. Peter ERNST.
Bilder: Wikimedia Commons, Le petit Placide