Gedanken zur Adventzeit


„Reiß doch den Himmel auf, und komme herab!“ (Jes 63,19b)

Der Prophet Jesaja ruft, ja schreit nicht nur leidenschaftlich in einer misslichen Situation, er beginnt auch nachzudenken über das eigene Volk Israel, über die Lage des Gottesvolkes, über sein Verhalten, seinen Glauben.  Er setzt dabei nicht bloß Schwierigkeiten gleich mit sündhaften Verhalten; dennoch ist ihm die schlechte Zeit Anlass zu reflektieren.

Und dabei blickt er ehrlich auf das Volk und erkennt eine Menge Verbesserungsbedarf, entdeckt viele Gründe, die es wert wären umzukehren. Dieser Prozess wird auch angestoßen durch das große Vertrauen, das der Prophet in Gott setzt. Der Glaube, der abhanden zu gehen schien, ist doch wieder die Basis der möglichen Umkehr.

Gedanken zur Adventzeit

Jesaja – der Prophet vom Advent, mit wuchtigen Worten

Advent – ob die momentane Situation unseres Landes, ob der Zustand unserer Kirche zur Zeit gut, zufriedenstellend oder schlecht ist, ob der Glaube an Gott floriert oder abhanden geht, ob in meinem persönlichen Leben Optimismus oder Pessimismus vorherrschen – Advent ist Anlass zu reflektieren,  ehrlich auf mich zu schauen, Verbesserungspotentiale zu entdecken, von Fehlern umzukehren.

Der Advent beginnt mit demselben Wort, mit dem das alte Kirchenjahr zu Ende ging: „Seid wachsam!“ Advent heißt Ankunft. Adventszeit ist Wartezeit auf einen, der kommen soll. Christen warten auf das Kommen Christi. Das haben sie mit dem jüdischen Volk gemeinsam, das auch wartet und hofft, dass der Messias (der „Gesalbte“, auf Griechisch der „Christus“) kommt.

Wir Christen glauben, dass der Messias bereits gekommen ist, Jesus von Nazareth. Deshalb mündet der Advent in das Weihnachtsfest, das Fest der Geburt Jesu. Aber wir Christen warten auch auf die zweite Ankunft Christi, seine Wiederkunft „mit großer Macht und Herrlichkeit“, wie Jesus selber es verheißen hat (Mk 13,26). Wann diese geschehen wird, das wissen wir nicht, wir können es auch nicht berechnen, wir können nur wachsam darauf warten. Das verbindet die Christen mit dem jüdischen Volk: Beide warten auf den Messias, sein herrliches, befreiendes Kommen. Die Juden glauben, sein Name sei noch unbekannt, die Christen glauben, dass Jesus, der Christus und Sohn Gottes, einmal wiederkommen wird. Beiden aber, Juden wie Christen, ist das hoffnungsvolle Warten gemeinsam.

Von diesem Warten spricht auch das kleine Gleichnis Jesu im Evangelium: Der Türsteher, der Pförtner oder Portier, muss warten, bis der „Chef nach Hause kommt. Und da der Chef nicht gesagt hat, wann genau er heimkommt, muss der Pförtner so lange wach bleiben, bis er kommt, und wenn es erst zu Mitternacht und gar gegen Morgen ist. Warten erfordert Wachsamkeit. Wer auf das grüne Licht der Ampel wartet, schaut genau hin, um sofort losfahren zu können. Bei einem Fließband muss ständig genau überwacht werden, ob alle Vorgänge fehlerfrei ablaufen. Wer zu Hause auf Gäste wartet, hat die Ohren gespitzt, wann es läuten wird.

Unser heutiges Leben erfordert von den meisten Menschen viel Wachsamkeit. Im Straßenverkehr können schon sekundenkurze Unaufmerksamkeiten tödliche Folgen haben. So ist uns die Aufforderung Jesu nicht fremd: Seid wachsam! Jesus meint aber mehr, als im Verkehr und im Umgang mit der Technik aufzupassen. Es geht vor allem um die wache Aufmerksamkeit, Achtsamkeit für den Nächsten. Es ist etwas Schönes, Menschen zu begegnen, die für andere aufmerksam sind, die auf andere eingehen können, die spüren, was sie bewegt, was sie brauchen. Wach durchs Leben gehen, erfordert ein offenes Auge, ein bereites Herz, das nicht nur um sich selber kreist oder nur sich selber sieht. Nur so ein waches Leben ist wirklich spannend und bereichernd.

Gedanken zur Adventzeit

Der Advent will uns wach machen. Erstaunlich viele gehen in diesen Wochen frühmorgens in die so genannten Rorate-Messen. Es tut gut, in früher Stunde wachend und betend zusammen zu kommen.

Advent erinnert an das erste Kommen Jesu als Kind in Betlehem und an sein zweites Kommen am Ende der Zeit. Doch liegt dazwischen noch ein drittes Kommen Jesu: Wenn er an die Türe meines Lebens klopft, heute, unscheinbar und leise, wenn er zu mir kommen will, unerwartet: Ob ich dann wach bin oder er mich schlafend antrifft? Dieses stille Kommen kann jederzeit geschehen: durch einen Menschen, der mich braucht; durch das Gebet, in dem Gott mir zu Herzen spricht; durch eine Krankheit, die mich heimsucht; durch ein glückliches Ereignis, von dem ich ahne, dass es ein Geschenk Gottes ist.
Wachsein für dieses tägliche Kommen Gottes, das ist ein geglückter Advent.

Die Texte sind Kommentare zu den Liturgischen Texten und
Ausschnitte aus einer Sammlung von Diakon Ing. Peter ERNST.
Bilder: Pixabay, Wikimedia Commons.